Siebenhitze Greitz
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In diesem Interview haben uns die Aktiven vom Verein einen Einblick in ihr Vereinsleben gegeben.
Mögt Ihr einmal kurz erklären wie die Initiative Siebenhitze Greiz entstanden ist und wie sie dann wuchs.
Unser jetziges Vereinshaus wurde bereits ab 2014/2015 als Treffpunkt für die Organisation zur Unterstützung für Geflüchtete und zur Vernetzung mit diesen genutzt. Im Zuge steigender Zahlen von Schutzsuchenden und gleichzeitig einsetzender rassistischer Mobilisierung dagegen, formierten sich in und um das Haus Netzwerke aus Vereinen und Einzelpersonen, die nicht nur zuschauen, sondern aktiv werden wollten.
Als diese Strukturen 2017 begannen sich aufzulösen, stand die Frage im Raum, ob und wie dieser Ort weiter genutzt und ausgebaut werden könnte. Aus alten Strukturen und neuen Mitstreiter*innen wurde schließlich der Verein Siebenhitze e.V. gegründet, der das Haus fortan als Treff- und Veranstaltungsort nutzte. 2019 konnten wir als Verein das Haus schließlich kaufen. Finanziert wurde der Kauf über private Kleinstkredite.
Seit Vereinsgründung organisieren wir regelmäßig Konzerte, Lesungen, Vorträge und eine Küche für Alle. Außerdem bringen wir uns bei politischen und kulturellen Veranstaltungen in der Stadt ein und stellen unsere Räumlichkeiten auch anderen regionalen und überregionalen Gruppen zur Verfügung. Im Haus befindet sich außerdem ein Umsonstladen, der 14-tägig geöffnet hat.
Worin besteht das Bedrohungsszenario oder Konfliktpotential? Welcher Art von Anfeindungen seid Ihr ausgesetzt?
Aufgrund der breiten Akzeptanz der AfD, abzulesen an den letzten Wahlergebnissen, befürchten wir einen Anstieg rechter Gewalt und Bedrohungen gegenüber Menschen, die nicht ins rechte Weltbild passen. Seien es alternative Menschen, Menschen mit Migrationshintergrund oder auch demokratisch agierende Personen. Nicht selten reicht hier schon ein Transparent mit dem Wunsch nach Demokratie, um schlimmste Anfeindungen über sich ergehen lassen zu müssen.
Wie in vielen ländlichen Gegenden waren die Nazis hier nie verschwunden. Derzeit erleben sie allerdings wieder einen Aufschwung und treten seit einiger Zeit offensiver auf. Rechtes Gedankengut ist unter Jugendlichen mittlerweile wieder Mainstream und gerade jugendliche Gruppen versuchen die Ideologien und ihren „rechten Lifestyle“ umzusetzen. Rechte Schmierereien und Aufkleber haben deutlich zugenommen.
Außerdem finden in unserer Region immer noch regelmäßig sog. Montagsspaziergänge statt. Seit den ersten Demos gegen Corona-Auflagen vermischen sich dabei AfD, neonazistische Kleinstparteien, klassische Neonazis, Reichsbürger und andere Verschwörungsgläubige und treten dabei, wenn auch zahlenmäßig stagnierend, zunehmend aggressiv auf. Die Demos erhalten dabei nach wie vor keine Auflagen oder werden gleich gar nicht angemeldet und trotzdem polizeilich begleitet.
Zum Glück (3-mal auf Holz geklopft) blieben uns größere Angriffe auf unser Haus bisher erspart, von Sachbeschädigungen wie eingeworfenen Fensterscheiben und zerstörten Schaukästen einmal abgesehen. Wir bleiben trotzdem wachsam, überdenken regelmäßig unser Schutzkonzept. Auch Angriffe auf Social Media gibt es regelmäßig. Hoffen wir, dass es bei den „Tastatur-Tätern“ bleibt.
Sorgen bereitet uns, dass die Politik der AfD Einfluss auf unser Vereinswirken haben kann. Seien es abgelehnte Fördergeldanträge, Veranstaltungsgenehmigungen oder Bau-Auflagenbescheide. All das kann das ehrenamtliche Engagement maßgeblich beeinflussen.
Wie ist Eure Altersstruktur? Gibt es überhaupt die Möglichkeit in so ländlichen Regionen junge Menschen antirassistisch zu prägen oder ziehen diese - zum Teil verständlicherweise - früher oder später frustriert oder aus Angst nach Berlin oder mindestens Leipzig?
Generell kann man schon sagen, dass wir im Schnitt schon zu den „gesetzteren Semestern“ gehören (das will bestimmt Niemand von uns lesen ;)). Wir sind alles Familienmenschen mit verschiedensten beruflichen Hintergründen. Von handwerklich bis sozial tätigen Menschen ist alles dabei.
In ländlichen Regionen wie Greiz ist es nicht einfach, die Jugend für alternative Positionen zu begeistern. Dabei denken wir, dass das ein gesamtbürgerliches Problem ist. Die Stadt Greiz glänzt nicht damit, irgendetwas für die Jugend zu tun. Wir haben genau einen Jugendclub und selbst dieser wird nicht sehr gut angenommen. Die Aussage des alten und neuen Bürgermeisters („Die Jugend kann ja nach Jena oder Leipzig fahren, wenn sie etwas erleben will“) sagt alles. Trotz dessen hat sich ein Jugendforum gegründet (ja - das sind zum Teil Kinder unserer Vereinsmitglieder) und versucht etwas auf die Beine zu stellen. Das supporten wir natürlich.
Ein großes Problem ist tatsächlich der Wegzug der Jugend nach ihrer schulischen Ausbildung. Aufgrund der Strukturschwäche unserer Region fehlt es zudem an attraktiven Firmen und Ausbildungsmöglichkeiten. Da ist ein logischer Schritt, zum Studium oder zur Ausbildung nach Jena oder Leipzig zu gehen. Die wenigsten finden dann allerdings den Weg zurück in ihre Heimatstadt. Das haben wir vor allem während der Einschränkungen durch Corona bemerkt. In der Zeit, in der keine Treffen und Veranstaltungen möglich waren, haben wir den Kontakt zu den jüngeren Menschen etwas verloren und danach waren einige nicht mehr in der Region.
Jetzt müssen wir neu anfangen, jüngere Menschen an uns zu binden und bei uns einzubinden. Das geht nicht über Nacht, aber wir versuchen es. Vor allem wollen wir den Jugendlichen, die sich nicht mit dem rechten Mainstream anfreunden können und wollen, einen Anlaufpunkt bieten und ihnen zeigen, dass es Alternativen gibt und das sie diese auch mitgestalten können. Die Arbeit und Angebote eines klassischen Jugendclubs können wir aber nicht bieten.
Wir wollen Euch nicht alleine lassen. Wie können wir aus den Städten trotzdem unterstützen und an welchen Stellen fehlt es Euch?
Uns hilft es extrem, wenn ihr ein anderes Bild des Ostens verbreitet. Zeigt auf, dass es in vielen ländlichen Regionen stabile und engagierte Menschen gibt, welche die Orte nicht kampflos hergeben. Kommt vorbei und macht euch ein Bild vor Ort. Besucht uns, wenn wir politische Veranstaltungen oder Kundgebungen durchführen, feiert mit uns auf unseren Konzerten, teilt unsere Aufrufe und vernetzt euch mit den vielen, tollen Vereinen und Projekten im Osten.
Klar kosten die Projekte nicht nur Zeit – auch Soli-Aktionen sind immer wichtig und sehr willkommen. Unterstützt auch gerne Netzwerke wie Polylux.e.V (https://www.polylux.network/ ). Deren Arbeit ist gerade für den Osten enorm wichtig.
Was häufig fehlt, ist der tatsächliche Support vor Ort. Wenn mehr Menschen aus den Städten mal raus aufs Land fahren und Aktionen unterstützen, sorgt das nicht nur dafür, dass die Anliegen besser wahrgenommen werden, sondern es gibt den Aktiven vor Ort auch neue Kraft für den Alltag, weil sie merken, dass sie nicht alleine dastehen. Wir geben nicht auf – ALERTA, ALERTA!