Tutto pasta con Fabio Haebel
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Wer sich in den letzten zehn Jahren länger als drei Minuten mit der gastronomischen Szene in Hamburg beschäftigt hat, der ist an dem Namen Fabio Haebel nicht vorbeigekommen. Gäbe es unsere Serie mit den runamics Pioneer Stories nicht, man müsste sie für ihn erfinden:
Angefangen mit der Tarterie, wurde daraus das mittlerweile michelinbesternte haebel, Kochbücher, Kochreisen, Podcasts, XO Seafoodbar, Gründung und Exit Startup Circus Group, eine Mini-Weinbar, Sauerteigbäckerei, Catering und die derzeit angesagteste Pastabar Hamburgs, den kiosque. Bestimmt habe ich ebenso viele Projekte und Ideen vergessen.
Ausgestattet mit viel Liebe zu gutem Essen und dem Willen auf Neues überrascht Fabio Haebel seine Stadt immer wieder mit bereichernden Ideen. Dabei mit dem vielleicht Wichtigsten was man so haben kann - einem großen Herz:
Geflüchtete als Angestellte, Care-Pakete für Obdachlose während der Corona-Pandemie und immer klares antirassistisches Engagement - alles selbstverständlicher Teil seiner Welt.
Wir hatten tausend Fragen aber beschränken uns wie immer auf fünf.
Fabio, vielen Dank für deine Zeit, ich freu mich wahnsinnig. Wir haben unser Tutto Pasta T-Shirt in deinem neusten Restaurant fotografiert - dem Kiosque. Was ist die Idee dahinter und warum nicht mehr bægeri?
Die Bäckerei sollte nach unsicheren Corona-Jahren ein sicherer Hafen sein. Brot, die Basis von allem. Der Angriffskrieg auf die Ukraine lies allerdings Strom- und Mehlkosten explodieren, dazu kam das Problem für Fachkräfte. Denn du kannst in Deutschland ein Sushi-Restaurant eröffnen oder Alkohol ausschenken, aber „don´t fuck with their bread“. Da verstehen die deutschen Ämter keinen Spaß. Ein Meister muss also immer wieder her, die wenigen Ausnahmen kann man an einer Hand abzählen in Deutschland.
Am Ende habe ich mich darauf besinnt was ich kann. Gastronomie. Essen. Trinken. Also habe ich dem Einzelhandel „Bäckerei“ den Rücken gekehrt. Ich lerne gerade viel, vor allem über mich selbst. Gestehe mir Fehler ein und speichere sie unter Erfahrung ab. Ich werde die Zeit und vor allem das beste Sauerteigbrot der Stadt aber nie vergessen. What a journey.
Du bist ein bisschen wie Bambus, sehr hart im nehmen, bruchfest und trotzdem enorm flexibel. Entwickelt man das irgendwann oder woher kommt das bei dir? Ich konnte mir in der Coronazeit wirklich viel davon abschauen bzw. lernen.
Herrlicher Vergleich. Resilienz baut man auf. Als junger Kerl war ich das komplette Gegenteil. Eine schlechte Note in der Schule und die Tränen kullerten. Allerdings habe ich schon immer am „besten funktioniert“ wenn Ärger ins Haus stand. Corona hat mich eine Menge gelehrt. Allem voran eben die Resilienz.
Sich jeden Tag neu zu erfinden sehen viele als tolle Eigenschaft, ich empfinde es zwischendurch auch als Last. Weil ich nie zufrieden bin, weil ich immer wieder Sachen verändern möchte, der Sachen wegen. Mein engster Kreis, meine Partner und meine Frau bremsen mich dann zum Glück oft und sagen schon mal „lass es mal so, das ist wirklich richtig gut gerade“.
No shows von Gästen, steigende Ansprüche ohne dafür zahlen zu wollen, Energiepreise - als Gastronom hat man es wahrlich nicht leicht.
Wie behält man da trotzdem den Kopf oben und was denkst du könnte eine (evtl. auch gesetzliche) Lösung sein gegen das Restaurantsterben und für mehr unternehmerisches Risiko?
Das Restaurantsterben ist da, aber die letzten Statistiken waren identisch zur Vor-Corona-Zeit. Wir sind und waren schon immer eine etwas schwächere Branche mit hoher Fluktuation. Das haben auch die Menschen im Kopf. Wer nichts wird, wird Wirt... letzte Station Bahnhofs-Imbiss.
No-Show haben wir nicht mehr, wir nehmen von unseren Gästen eine Kreditkarte zur Garantie und geben ihnen teils bis zu 24 Std. vorher Zeit zu stornieren oder umzubuchen. Andernfalls berechnen wir eine Gebühr wenn die Plätze frei bleiben.
Damit waren wir damals die ersten in Hamburg 2016 und bereuen es nicht eine Sekunde. 2015 kostete mich das ca. 70.000 €. Am Ende beugen wir uns den steigenden Ansprüchen und sind von Herzen Dienstleister. Die Kosten dafür werden natürlich umgelegt, ich habe 42 Mitarbeiter. Da ist jeder Cent wichtig.
Den Kopf behält man auf Grund der erlernten Resilienz oben. Aufgeben ist nicht, ich hab das ja mal gelernt vor 22 Jahren und mir was dabei gedacht. Aus dem Beruf wurde auch meine Berufung und das Gefühl, dass ich mit meinem täglichen Tun auch wirklich nachhaltig was bewegen kann.
Ich fände es klasse wenn die 7% MwSt auf Speisen wieder zurückkommt. Das war schon ein herber Schlag. Und wenn man dann zeitgleich sieht, dass neben Hotelübernachtung, Taxifahrten jetzt auch Kunstgalerien auf ihre Verkäufe den geringeren MwSt Satz zahlen, wir Gastronomen aber auf Speisen 19% abgeben müssen, obwohl wir für 7% einkaufen, dann ist das eigentlich nicht mehr zu erklären. Aber ohne echte Lobby gibts eben auch kein Druckmittel. Die weiteren Lösungen die mir im Kopf schwirren würden hier klar den Rahmen sprengen :-)
No regrets, das sagt sich so leicht. Gibt es trotzdem Momente auf die du zurückschaust und denkst, das hätte man sich getrost sparen können, da war nicht mal das Learning hilfreich?
Ich schwanke da immer mal wieder hin und her mit meinen Gedanken. An unser stures, unermüdliches Öffnen während Corona. Straßenverkauf, Fensterverkauf etc. ... am Ende war es ein Blindflug. Wir haben gemacht, weil wir da sein wollten. Flagge zeigen, Mitarbeiter beschäftigen und Löhne auffüllen.
Die Wahrheit lag dann bei einer Rückzahlung der Corona-Hilfen, da wir ein paar Tausend Euro zuviel Umsatz gemacht haben. Dadurch entstand ein heftiges Loch in der Kasse. Da ich zeitgleich davon so erschöpft war, war es schwer da einen Weg rauszufinden. Dank meines Coaches Nina und meiner Partner war das aber ein gangbarer und machbarer Prozess.
Fernsehturm, Fischauktionshalle, Branntweinmonopol - es gibt so viele Orte in Hamburg, an denen ich vorbeilaufe und denke „da sollte Fabio mal lieber was Geiles machen“. Was wären deine kulinarischen und unternehmerischen Träume in Hamburg?
Ich darf ja schon so tolle Sachen planen und gestalten und es kommen immer neue Sachen dazu. Natürlich ist die FAH ein wundervolles Stück Architektur dass es verdient hätte, eine tolle Gastronomie oder ähnliches inne zu haben. Das Hochwassergebiet da unten macht das aber zu einem sehr schweren Unterfangen.
Der Fernsehturm wäre etwas was ich wahnsinnig gerne mit meinem Team von Studio Haebel konzipieren und beraten würde, ein ganz besonderer Ort. Die Liste dafür ist lang, das Café Seeterrassen, das Rathaus am Rödingsmarkt, das alte Tehdebad… aber ich kann mich ja leider nicht zehnteilen.
Derzeit arbeiten wir an einer alten Fabrik auf St.Pauli, um dem Ort wieder seinen alten Charme zurückzubringen. Das bindet mich momentan am meisten.
Fabio´s Pastabar "kiosque" ist natürlich nichts, um sich mit möglichst viel Carbs für deine Langläufe vollzustopfen, es ist ein Ort zum genießen. Hier findest du ihn:
Beim Grünen Jäger 14
20359 Hamburg / St. Pauli