Siggi´s Pizza
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Moin Siggi
Siggi ist ein Hamburger Pizzabäcker mit seiner Home Base auf St. Pauli. Das heißt, so richtig gibt es gar keine Home Base. Denn Siggi backt seine Pizzen dort, wo sie am meisten gebraucht werden, mal hier, mal dort in der Stadt. Seinen italienischen ufo-artigen Holzofen hat er mit seinem Hänger in Bella Italia abgeholt. Auf dem Hänger ist der Ofen dann halt geblieben.
Abgesehen davon, dass wir Siggis Pizza als solche feiern, ist er ein Bäcker mit dem Herz am richtigen Fleck und dazu noch gerne in Laufschuhen unterwegs - wir finden eine gute Combo und Stoff für den ersten Teil unserer neuen Serie "faces of runamics".
Wir waren mit Siggi eine Runde laufen und haben ihn dabei interviewt.
"Da muss was passieren"
Siggi, als erstes interessiert uns WAS denn eigentlich ausschlaggebend war, nach 15 Jahren wieder mit dem Backen anzufangen und gab es einen Plan B? Zum Beispiel Franzbrötchen?
Ich hatte einfach wieder krass Bock auf Backen aber zugleich keine Lust mehr auf Backstube. Dann war ich vor einigen Jahren mit dem Zustand der Hamburger Pizzalandschaft unzufrieden und das wurmte mich immer mal wieder. Zu viele haben den Fokus auf Beläge gesetzt und dabei den Teig völlig außer Acht gelassen. Das war der Pizza und dem Handwerk nicht würdig und in mir wuchs der Wunsch das zu ändern.
Ich hab dann in meinem Umfeld ganz viel über Pizza geredet und fing an Dinge zu vergleichen. Meine einschneidendsten Pizzaerlebnisse waren dann auch gar nicht in Italien, wie man es vermuten könnte, sondern in Kopenhagen und in Thailand.
Dort aß ich Pizzen bei denen ich mir dachte „so sollte sie sein“.
Ich hab dann angefangen mit einem ersten kleinen Pizzaofen herumzuexperimentieren und bekam die Möglichkeit auf Straßenfesten und Privatpartys die ersten Versuche anzubieten. Irgendwann waren die Kapazitäten des selbstgeschmiedeten Miniofens erschöpft. Zudem wurde meine Pizza immer besser, der Teig super und meine Fähigkeiten mit ihm umzugehen auch und dann gab’s den Schritt den es geben musste.
Holzofen or nothing
Immer mehr junge Menschen stellen ja Dinge mit ihren Händen her, achten auf Materialien und Zutaten, als Gegenbewegung zum „immer alles schneller“. Kannst Du generell eine Entwicklung feststellen beim Thema handmade?
Na aber GANZ KLAR. Die Entwicklung ist nicht zu übersehen. Das sieht man nicht nur bei den kleinen Handwerkern, sondern selbst bei den großen Bäckereien und deren Produkten - auch dort wird langsam mehr Zeit investiert und sich beim Handwerk mehr Mühe geben. Eigentlich ein richtig geiler Trend. Weg von den 20 Cent Brötchen die es bei so Großketten auch immer noch gibt. Das ist zumindest mein Eindruck, mit den Augen eines Bäckers.
Für mich stand eben schnell fest, dass ich wieder was mit backen und mit Handwerk machen möchte und es war auch klar, dass ich nur mit einem Holzofen backen werde und kein Restaurant aufmache.
Da blieb nur noch der Foodtruck oder eben Streetfood, denn einen Truck hab ich ja nicht mal. (Siggi arbeitet mit einem mondartigen Ofen, in den drei Pizzen zeitgleich passen. Dieser steht auf einem Anhänger, gezogen von einem VW-Transporter. Hier findet auch sein restliches Equipment und die zuvor vorbereiteten Teige Platz).
Die Kund*innen freuen sich Feuer zu sehen und vor allem zu riechen, die Flamme lodert ja um ihre Pizza herum. Ich vertrete auch die feste Ansicht, dass man eine Pizza nie mit dem gleichen Aroma hinbekommt, wenn man mit Elektroofen backt. Das Holz macht die finale Note.
Beim Laufen gibt es keinen Druck
Wir waren heute zusammen laufen, ursprünglich kommst Du aber ja eher vom Rennrad. Brauchst Du das als Ausgleich zum Stress?
Das stimmt, eigentlich komme ich vom Radsport - das ist wirklich das allerschönste. Jetzt kam in den letzen Jahren zunehmend das Laufen dazu, weil ich mit privat und beruflich eingeschränkter Zeit deutlich mehr schaffe, wenn ich eine Stunde laufen gehe.
Ausgleich zum Stress ist es eigentlich nicht, vielmehr benötige ich das Laufen und Radfahren als körperlichen Ausgleich. Auspowern eben. Wenn ich 14 Stunden am Pizzaofen in Action bin, dann bin ich danach komplett leer, körperlich und seelisch.
Das ist wahnsinnig erfüllend und schön, aber der Sport ist dann eine andere Art des Auspowerns. Dort gibt es keinen Druck abliefern zu müssen. Ich hab ja keinen Leistungsanspruch beim Sport, sondern will eher meine eigenen Grenzen verschieben.
Auf die Industrie sollte man nicht warten
Ist Nachhaltigkeit ein Thema bei Dir? Stellst Du da eine Veränderung fest, im Konsum oder der Ernährung?
Na klar! Da hat sich in den letzten Jahren viel getan - ich hoffe nicht nur bei mir, sondern bei allen. Ich überleg mir an vielen Stellschrauben, wo ich etwas verändern kann: Müll vermeiden, Transportarten verändern und auch die eigene Ernährung überdenken. Da bin ich allerdings leider nicht so konsequent wie ich es mir manchmal wünschen würde.
Ich merke das auch bei meinen Kund*innen, die als Veganer*innen oder zumindest Vegetarier*innen immer jünger werden. Da ist einfach ein deutlich größeres Bewusstsein für Klimaschutz, Nachhaltigkeit und Umwelt, da sie natürlich noch länger etwas von der Welt haben werden und sie deshalb schlauer gestalten wollen, als die Generationen vor ihnen.
Unsere Generation ist bestimmt auch schon auf einem guten Weg, aber wenn man sich Jugendliche zwischen 15 und 25 Jahren anschaut, dann sind die uns weit voraus. Den großen Unterschied können wir vielleicht als Kleinkonsumenten gar nicht machen, aber nur auf die Industrie zu warten, ist auch keine Lösung.
So schau ich mit meiner Familie und dem Umfeld regelmäßig, wo wir noch etwas verändern können - Seife statt Shampoo, keine Plastikflaschen mehr,… und in kleinen Schritten geht’s immer weiter.
Next Stop: NYC
Ich erinnere, dass in NY wirklich an jeder schäbigen Klitsche „best pizza in town“ stand. Los geht’s, was macht für Dich eine sehr gute Pizza aus?
Ich war noch nicht in New York aber scheint so, als müsse ich das irgendwann mal ändern. Und wenn es nur für die Pizza ist, denn ich bekomme schon mit, welchen Stellenwert die da hat. Mir begegnen sehr viele Videos, Blogs und Menschen die dort ganze Stadtteile nach Pizzen aufteilen und dabei auch nicht vergessen, dass es unterschiedliche Pizza-Arten gibt.
Und das ist auch meine Philosophie: Ist doch super, dass es ganz viele Styles gibt, in denen man Pizza kredenzen kann. Wie langweilig wäre es, wenn es EINE Art Pizza gäbe? Ich hätte bei mir auch gar keine Lust ein dickes slice voller triefendem Käse anzubieten, aber wie gut wäre es, das in perfekter Ausführung mal wieder zu essen? Das liebe ich.
Die Abwechslung macht’s. Und ich finde es mittlerweile in Hamburg auch echt super, wie viel unterschiedliche, gute Pizzen es gibt. Für ganz viele unterschiedliche Liebhaber*innen. Puristisch oder verrückt. Marinara oder Ananas. Dünner Teig oder dicker Teig. 6 Euro oder 18 Euro.
Danke Siggi. Das Interview führte Henning Heide.
Über faces of runamics
Wir möchten Euch hin und wieder spannende Menschen aus unserem Umfeld vorstellen. Menschen, die gerne Sport treiben, aber auch eine Geschichte drumherum zu erzählen haben.
Dies werden auch mal Sportler*innen sein, bei denen der Sport im Lebensmittelpunkt steht. Aber auch Menschen, bei denen der Sport eben nur eine schöne Nebensache ist, wie wohl bei den meisten von uns.
Menschen, die ein klassisches Handwerk ausüben oder liebevoll ausgewählte Materialien und Zutaten für Ihre Arbeit schätzen. Menschen, die sich für andere einsetzen oder zentrale gesellschaftliche Themen. Ob im großen oder kleinen Stil ist dabei völlig egal.
Es wird zu viel geschimpft, verzweifelt und der Kopf in den Sand gesteckt. Meckern hilft nicht. Deshalb schauen wir nach dem Gegenteil - dem Wunsch nach Veränderung und dem Willen diese Welt ein kleines bisschen besser zu machen.
2 Kommentare
Schön, daß es Menschen wie Siggi gibt. Und schön, wenn von und mit ihnen erzählt wird. Siggis Pizza ist eine der wenigen Dinge, die ich an Hamburg vermisse – obwohl unsere eigene aus dem alten Backes auch schon ganz schön gut geworden ist …
Ja, wir gehen alle unsere Schritte, wie es passt und möglich ist – wir tappen vorsichtig in Richtung Selbstversorgung. Die Pizza ist also bei uns nur ein kleines Puzzlesteinchen. Aus demselben Ofen kommt vor allem unser Brot. Und das Gemüse holen wir Garten (gerade werden täglich Zuckerschoten, Radieschen, Mangold, Rote Bete und Zucchini geerntet). Kaum noch vorstellbar, daß ich gerade noch mitten auf St. Pauli gelebt habe …
Sehr guter Artikel – nicht nur für den Sonntagmorgen! Aber – heute steht keine Pizza auf dem Programm – sollte ich überdenken. Weiter so! :-)